Die Küche

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, er braucht genauso die Rosen

Arnold Wesker

Das Ensemble

Besetzung der Uraufführung im Theaterhaus Düsseldorf am 29. November 1990

Küche
Leo, Chefkoch: Udo Matthes
Frank, Saucier: Uwe Höltermann
Dimitri, Grill: Axel Schwarze
Peter, Kochfisch: Jörg Balschun
Konrad, Bratfisch: Heiko Seidel
Fred, Entre Metier: Wolfgang Klein
Hans, Beilagen: Kai Mönnich
Mike, Beilagen: Pascal Leiner
Nicholas, Garde Manger: Clemente Fernandez
Berta, Salate: Veronika Böhle
Max, Fleischer: Axel Heinrich
Paul, Patissier: Kersten Müngersdorf
Raymondo, Konditor: Kai Lentrodt
Youssef, Küchenhilfe: Frances Mbarek Aouga

Restaurant
Marango, Besitzer: Benno Boudgoust
Harry, Oberkellner: Julian Bischofs
Monique, Kellnerin: Kerstin Hörner
Dagmar, Kellnerin: Angela Kühn
Bettina, Kellnerin: Monic Wollschläger
Hotti, Kellnerin: Gudula Bitzenhofer
Maria, Kellnerin: Pilar Buira il Ferre
Gabi, Kellnerin: Marta Muinos
Viola, Kellnerin: Ursula Burg
Anne, Getränkebuffet: Sylvie Coquillat
Magi, Nachtwächter: Axel Schwarze
Der Landstreicher: Clemente Fernandez

Buch: Arnold Wesker
Übersetzung: Erich Fried
Bearbeitung: Jörg U. Lensing
Inszenierung: Jörg U. Lensing
Regieassistenz: Leonore Araki
Musikalische Leitung: Thomas Neuhaus
Bühnenbild: Jürgen Steger
Kostümbetreuung: Janina Mackowski-Job
Lichtregie: Sascha Hardt
Lichtgestaltung: Bernd Lohmann, Sascha Hardt
Körper- und Sprechtraining: Jörg Balschun
Künstlerische- und administrative Leitung: Jörg U. Lensing
Administration: Kerstin Hörner, Axel Heinrich
Plakat-, Programmheft-, Faltblatt und Anzeigengestaltung: Ernst Merheim

Über die Produktion

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, er braucht genauso die Rosen. (Arnold Wesker)

DIE KÜCHE ist der Titel eines Stücks von Arnold Wesker aus dem Jahr 1964, welches 1969 in der Übersetzung Erich Frieds in Deutschland veröffentlicht wurde und 1990 in Absprache mit dem Autor von J.U.Lensing auf die Verhältnisse in Westdeutschland im Jahre 1990 aktualisiert und umgeschrieben wurde.

“Die Küche” ist das erste Stück des Londoner Dramatikers. Es spielt in einer großen Restaurationsküche von morgens 7 Uhr bis abends 19 Uhr. Dieser Schauplatz prägt die Hoffnungen und Ängste der Protagonisten, ihre Betriebsamkeit ebenso wie ihre alltäglichen Konflikte.

In seiner Vorbemerkung zu dem Stück schreibt Wesker:

“Für Shakespeare mag die ganze Welt eine Bühne gewesen sein, für mich ist sie eine Küche, wo Menschen kommen und gehen und nicht lange genug bleiben können, um einander zu verstehen, und wo Freundschaft, Liebe und Feindschaft ebenso schnell vergessen werden, wie sie entstehen.”

Wesker war eine Zeit lang Konditor. Er kennt den Schauplatz seines Stücks: die Küche eines riesigen Speiselokals, den zermürbenden Tag der Küchengehilfen, Kellnerinnen, Konditoren, der Köche für Gebratenes, Fisch, Suppen, Gegrilltes, das Durcheinander der Sprachen, das Inferno der klappernden Teller, der pfeifenden Gasrohre, der Kommandos und Flüche.

Das Stück bot für das Theater der Klänge zum einen die konkrete erstmalige Beschäftigung mit Sprechtheater bei einem gleichzeitigen Potential zum “Zeittheater”, da es angesichts Millionen Arbeitsloser, Ausländer-, Asylanten- und Aussiedlerzustrom und auch schon in den 1990ern wieder wachsender Ausländerfeindlichkeit ein gesellschaftspolitisch hochaktueller Stoff war und ist.

Dieses Stück war für das Theater der Klänge neben seiner gesellschaftspolitischen Aktualität aber auch eine hochinteressante Sprachkomposition für ein großes “Schauspielerorchester”:
15 Schauspieler und 9 Schauspielerinnen sind über die Dauer der fast zweistündigen Aufführung zugleich Schauspieler, Tänzer und sprechendes Orchester. Der polyphone Text wird dabei streckenweise wie eine Rhythmus- und Dynamikkomposition behandelt, während gleichzeitig ein genau choreografiertes Ballett der Steaks, Gemüsesuppen und Lammkoteletts abläuft.
Gleichzeitig war dieses Stück für das Theater der Klänge eine erste Beschäftigung mit Sprache im Theater, der man sich auf diese Weise näherte. Infolge dieses Stücks war das Theater der Klänge anschließend in der Lage eigene Stücke auf der Grundlage von geschriebenem Text zu entwickeln.
“Die Küche” erlebte 1990 insgesamt 23 Aufführungen als erste dort gezeigte Produktion im damals neueröffneten Düsseldorfer Theaterhaus Prinz-Georg-Straße und wurde danach aufgrund der Größe der Produktion und der Vielzahl der Beteiligten nicht ins Repertoire aufgenommen.

Als Konsequenz der zum Teil unzumutbaren Probenbedingungen in einem zum Abbruch vorgesehenen Lagerhaus im Düsseldorfer Hafen (ohne Heizung, ohne Toiletten an der Stelle, an der sich heute die Gehrybauten befinden) gewährte die Stadt Düsseldorf ab 1991 einen Mietkostenzuschuss zur Anmietung eines Probenstudios, welches das THEATER DER KLÄNGE seit 1991 in Düsseldorf-Pempelfort betreibt. “Die Küche” war gleichzeitig die letzte der Semiprofi-Produktionen, die an Abenden und an Wochenenden geprobt wurden. Mit Bezug des Probenstudios 1991 und einer institutionellen Förderung für das Theater der Klänge durch das Land NRW ab 1991 wurde ein voll professionelles Arbeiten für das Ensemble möglich.

Die Küche in der Presse

Der Tag beginnt mit dem müden Einlauf der Akteure, es ist noch Zeit für persönliche Sticheleien und Geplänkel zwischen den Köchen und Kellnerinnen, die mindestens sechs Nationalitäten vertreten. Textphasen und Geräusche sind so aufeinander abgestimmt, daß der Zuschauer das gesprochene Wort ohne Mühe versteht. Das ist eben auch “Theater der Klänge”. Bewegungen, Worte und der Küchenlärm schwellen schließlich an bis zum Orkan: Jetzt ist Mittagsservice, totale Hektik. Der Zuschauer wird abrupt in die Pause entlassen. Fast träumerisch geht es danach weiter, wenn Köche und Kellnerinnen aus ihrer Pause nacheinander zurückkehren. Es ist sogar Zeit für ein spielerisches Gefecht mit Schöpflöffel und Schneebesen. Wenn der Restaurant-Besitzer Marango wieder beginnt, schlurfend seine Kontrollrunde zwischen Töpfen und Pfannen zu drehen ahnt der Zuschauer: Das Tempo wird sich wieder steigern – bis zum hektischen Abendservice. Soweit kommt es nicht. Der Deutsche Peter, der auch an diesem Tag einiges ausgeteilt hat, aber auch einstecken mußte, dreht durch, als ihm die Kellenerin Monique die Freundschaft kündigt. Er zerhackt mit dem Küchenbeil die Gasleitung. Er hat damit die Menschenmaschine, in der jeder einzelne nur ein kleines Rädchen ist, zum Stillstand gebracht. Betroffenheit weicht dem Druck der Arbeitshetze.
Das Gastgewerbe

“Die moderne Arbeitsbühne” hätte die Truppe ihre Produktion auch nennen können, aber diesmal wurde auf ein bestehendes Stück zurückgegriffen. Wenn als Höhepunkt der Mittagsservice wie ein Orkan über die Küche hereinbricht, dann wird die Geräuschmusik zur Kakophonie und die Choreografie gerät in einen Geschwindigkeitsrausch. Schon bei der Vorpremiere war das ein Genuß fürs Auge, und man spürte auch mit Beklemmung, wie der Druck in diesem Hexenkessel Küche steigt.
Düsseldorfer Illustrierte

Riesenapplaus bei der Premiere im Theaterhaus. Es ist schon eine beachtliche Fleißarbeit, die Lensing und das Ensemble leisten: Nicht weniger als 24 Akteure hantieren gleichzeitig in Mr. Marangos Restaurant. Und wenn sie in der riesigen mit Herden, Tischen und Öfen opulent ausgestatteten Großküche hacken, schneiden, braten, dann sieht das auch im Detail überzeugend echt aus. Hier werden Menschen auf Funktionen zurechtgestutzt. Wenn die Kellnerinnen hereinrasen, den Köchen die Bestellungen entgegen- und diese die Bestätigung zurückrufen, ergibt sich ein Rhythmus, der die Automatik dieser Schufterei verdeutlicht.
Neue Rhein Zeitung

Hier sitzt jeder einzelne der pantomimischen Arbeitsgriffe und gipfelt im elegant choreografierten Chaos des Mittags-Service, der den Teil vor der Pause beschließt. Fast ausnahmslos prächtig agieren die Darsteller: Unter ihnen Jörg Balschun als Peter, Veronika Böhle als Salatköchin und vor allem die heimliche Hauptfigur des Abends, Heiko Seidel als sächselnder “Zoni” Konrad.
Rheinische Post

Die Bühne von Jürgen Steger, ein einziger Augenschmaus, gibt die herrliche Atmosphäre einer Großküche mit Schwingtüren wieder: Ein weiß-Grauer Irrgarten aus Herden, Tischen, Arbeitsplatten und Theke. Jeder der Ankömmlinge kultiviert seinen Auftritt, eine internationale Belegschaft aus Deutschen, Franzosen, Engländern und Griechen. Es wird getanzt, geflirtet, geschlagen und geschwätzt: über Arbeit, Liebe, Leben und Phantasie. Zwei fallen aus dem Rahmen: Heiko Seidel, ein Neuer von Drüben, aus Halle. Mit seinem gekonnten Akzent ist er vielleicht die Krönung des Abends. Jedenfalls hat er die Lacher auf seiner Seite. Neben ihm kann sich nur noch Jörg Balschun behaupten. Der baut sich seinen Triumphbogen aus Eimern, Töpfen und Besenstock, ein unverbesserlicher Tagträumer mit dem mittelalterlichen Bild vom Ritter.
Westdeutsche Zeitung

Viel Mühe wurde aufgewendet, um die Arbeitsvorgänge einzustudieren, die detailgetreu, aber ohne reale Lebensmittel, quasi als Pantomime ablaufen. Denn auch die Aufführung der “Küche” will ein Gesamtkunstwerk sein, die Arbeitswelt als Höllenmaschine zeigen, in der unter hohem Druck der Mensch als Rädchen funktioniert. Höhepunkt ist der Mittagsservice, der sich in der Bewegung zu einem rasanten Ballett, in der Akustik mit Geklapper und Geschrei zu einer Kakophonie steigert.
Die deutsche Bühne

Die Küche: Audio

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