Suite intermediale
Eine interaktive, intermediale Performance
„Ein sinnvoller intermedialer Umgang ist ein Agieren-Reagieren-Aufgreifen-Fortführen und zu einer gestalteten Konsequenz führen. Erst wenn die Summe der eingesetzten Medien und Variationsmöglichkeiten mehr wird, als die Einzelbestandteile und erst wenn das eine ohne das andere sinnlos oder nicht mehr machbar wird, ergibt sich eine echte intermediale Performance.“
J.U.Lensing
Das Ensemble
Part I
Projektleitung: J.U.Lensing
Musik: Thomas Neuaus
Video: Falk Grieffenhagen
Choreografie: Jacqueline Fischer
Tänzer/Musiker:
Bernardo Fallas, Majorie Delgado, Fatima Gomes, Catalina Gomez, Nina Hänel, Hyun-Jin Kim
KBB: Imogen Nabel
Kostüme: Caterina Di Fiore
Part II
Projektleitung: J.U.Lensing
Musik: Thomas Neuhaus
Video: Falk Grieffenhagen/Fabian Kollakowski
Choreografie: Jacqueline Fischer
Tänzer/Musiker:
Sarah Biernat
Alex Carrillo, Bernardo Fallas, Catalina Gomez, Nina Hänel, Arthur Schopa
KBB: Miriam Pankarz / Rosa Rühling
Kostüme: Caterina Di Fiore
Über die Produktion
In „SUITE intermediale“ bespielen Tänzer den Raum als audiovisuelles Instrument. In kollektiver Autorschaft von Choreografin, Regisseur, Videokünstler, Komponist und Tänzern entstand ein Tanzkonzert, das aus mehreren in sich geschlossenen audio-visuellen Kompositionen besteht.
Die visuelle Ebene bildet die tänzerische Performance in einer dreidimensionalen Video- und Lichtumgebung. Die auditive Ebene ist die elektronische Transformation von live oder elektronisch generierten Klängen, interpretiert und gesteuert durch die Bewegungen der agierenden Tänzer.
Die Frage des Zusammenspiels spielt in einem solchen Prozeß eine entscheidende Rolle, da es ja nicht um die einzelne Autorenschaft, sondern um eine kollektive Entwicklung in der Kombination unterschiedlichster Kompetenzen geht. Alleine schon die Gleichstellung von Musikalgoritmen, Videoalgoritmen, choreografisch modularem Materials und inszenatorischen Einheiten verlangt von jedem im Entwicklungsprozeß Beteiligten Disziplin und Respekt vor der Leistung der gleichberechtigt Mitwirkenden. Dazu kommt die ungewöhnlich große Freiheit der Gestaltungsmöglichkeiten an die Performer, da diese ja eben nicht nur Tänzer, sondern gleichzeitig auch Bildgeber für den Videoinput und Musiker der durch den Komponisten live angebotenen Klangstrukturen sind.
Gleichzeitig müssen sie strukturell improvisierend im mit der Choreographin vereinbarten Rahmen mit einem gesetzten Bewegungs-Material variierend arbeiten. Nicht zuletzt gehört eine genaue Kenntnis der benutzten Technik dazu, ähnlich der eines Musikers, der sein Instrument genau kennt und zu spielen weiß.
Stellt die klassische Suite eine komponierte Musikabfolge für (Bühnen-)Tänze dar, ist die SUITE intermediale eine Abfolge audio-visueller Kompositionen, gespielt von Tänzern. Hier treffen sich Ansätze der „Musique Concrète“ mit elektronisch interaktiver Musik, wie auch Theorien des „absoluten Films“ und des „expanded Cinema“ mit moderner Echtzeittransformation durch Computer in einer Realtime-Composition, die in jeder Aufführung eine variierte Gestalt bekommt.
SUITE intermediale war die konsequente Fortführung und Vollendung eines interaktiv-elektronischen Theateransatzes, der schon 1993 mit dem Stück Figur und Klang im Raum begann und 2005 in HOEReographien maßgeblich weiter entwickelt wurde. Die eingesetzte Technik, sowie der intermediale Ansatz dazu spielte auch in nachfolgenden Stücken, wie Vanitas, Coda oder im Lackballett eine entscheidende Rolle.
Mit dem Stück „Mensch und Kunstfigur im Kugeltheater“, welches wir für eine Premiere im Januar 2021 entwickeln, soll dieser Ansatz konsequent auf einen 3D-Raum für Video und Audio ausgeweitet werden…
Suite Intermediale in der Presse
Überraschende Arbeitsprobe…Der überraschendste Teil des Triptychons aber … war eine Arbeitsprobe: Erstmals wurden Teile der „Suite intermediale“ gezeigt, die direkt auf Oskar Schlemmers Klang- und Figurenkonzept zurückgreift und dabei die technischen Möglichkeiten der Gegenwart auf die Klassische Moderne anwendet. Wie spannend es sein kann, wenn man den Körper des Tänzers als ton- und bildgebendes Medium verwendet, wenn man die Schatten und die Bewegungsunschärfe auf einer Leinwand einfängt und die kinetischen in akustische Impulse umsetzt, wurde hier ausführlich demonstriert…
Mitteldeutsche Zeitung
Stampfende Schritte erzeugen hallende Donnerschläge, ruckartige Drehungen einen eruptiven Trommelwirbel. Im Hintergrund flimmern die farbenprächtigen Silhouetten der Darsteller über die riesige Leinwand, versprühen gelb-weiß-rote Funken und verdichten sich zu gigantischen Vulkanausbrüchen. Traumwandlerische Klangbildhauerei – im FFT-Juta zeigt das Theater der Klänge die „Suite intermediale Part 1“. Eine erste und vorläufige Arbeitspräsentation von überschaubaren 40 Minuten; im Herbst soll das fertige Stück zu sehen sein. Bewegungen, Gesten und Geräusche der Darsteller werden mit Videokameras und Mikrophonen live aufgenommen, der komplette Raum verwandelt sich in einen Resonanzkörper, per Computer transformieren die Künstler ihre Tanzperformance in Bild und Ton.
Ein rhythmusorientiertes, audio-visuelles Spektakel auf elektronischer Basis. Neben der Bühne sitzen die Sound- und Video-Ingenieure, steuern Loops und Beats. Fünf Tänzerinnen und ein Tänzer übermalen die programmierten Klang-Kompositionen und Video-Installationen mit körperbetontem Ausdruckstanz. Aus den Boxen strömt atmosphärisches Flirren und Zirpen, laut brodelndes Gurgeln, repetitives Glockengeläute und hallendes Rascheln. Ultraschall-ähnliche Schattenspiele bebildern den Hintergrund, zeigen verzerrte Pirouetten und grotesk gestreckte Gliedmaßen. Experimentelles Tanztheater im wahrsten Sinne des Wortes.
Die innovative Körpersprache macht Lust auf mehr, man freut sich plötzlich auf den Herbst.Rainer Morgenroth
Rheinische Post
Tanz der Welten: Das Theater der Klänge läßt einen ersten Blick auf seine Arbeit zu
Im Grunde kann man über die „Suite intermediale – Part 1“ keine Rezension schreiben. Wieso? Theaterleiter Jörg Lensing erklärt. Jeder Abend, berichtet er dem Publikum, sieht anders aus. Zwar stehen immer die selben Tänzer auf der Bühne – sechs sind es aktuell, zwar bleibt die Choreographie in ihren Grundzügen bestehen. Und totzdem bekommt man jedes Mal ein neues Werk zu sehen. Das „Theater der Klänge“ ist eben ein einzigartiges Ensemble, das Töne, BIlder und Menschen miteinander agieren läßt.
Interaktiv nennt man diese Aufführungsform, aber das Theater der Klänge ist mehr. Hier reagiert jeder auf jeden, nimmt alles aufeinander Bezug. Die Choreografen, Regisseure, Videokünstler, Tänzer und Musiker, die die Produktionen entwickeln – die Videoeinspielungen, Klänge und Schritte später auf der Bühne. Möglich macht das die Technik, computergesteuerte Raffinesse. Zum einen wird die Musik durch die Bewegung der Tänzer manipuliert, die Bewegungen wieder werden von Kameras verfremdet, als Bilder auf die Leinwand geworfen. Klingt kompliziert, wirkt aber kolossal gut.
Da entsteht aus dem Klopfen, Pfeifen, Pochen, Wummern und Surren, das die tänzerischen Figuren in der Luft und auf dem Boden erzeugen, ein famoses elektronisches Konzert, dem man allenfalls vorwerfen könnte, das es einem ab einer gewissen Dauer vermutlich die Nerven zersägt. Dazu gesellt sich der pure Tanz – im Hintergrund zu Videobildern aufgebauscht, verwackelt, verwischt, zerstückelt. Eine Tänzerin wird Kaligrafie oder mutiert zu hunderten Minifrauen – das Ensemble verschwimmt zum farbenfrohen Gemälde, das durchaus als moderne Malerei durchgehen würde.
Zwei Choreographien, rund 45 Minuten, hat das Theater der Klänge fürs erste zusammengestellt, sie kommen unter dem bescheidenen Namen Arbeitsprobe daher. Im Herbst/Winter präsentieren Choreografin (Jacqueline Fischer), Komponist (Thomas Neuhaus) und Videokünstler (Falk Grieffenhagen) mit ihren Lichtdesignern und Szenographen das abendfüllende Stück. Man darf gespannt sein und staunt schon jetzt.
Petra Kuiper, Neue Rhein Zeitung
Vertrauen ist gut, Szenographie ist besser!…auch eine Aufführung des aktuellen Forschungs- und künstlerischen Entwicklungsprojektes IIP (interaktive, intermediale Performance) unter der Leitung von Prof. Jörg U. Lensing (Theater der Klänge, Düsseldorf/ FH Dortmund) bot. Der im Abendprogramm dargebotene erste 20-minütige Teil der „Suite intermediale“ bot ein Live-Bühnen-Konzert von spielenden Programmierern mit Performern, die darauf vertrauten, Tänzer, Choreographen und Musiker in Personalunion sein zu können. Wobei der Bühnenraum in Umkehrung klassischer Bühnenkonzepte sich erst aus den Aktionen und Reaktionen der Performer prozessual entwickelte – Bewegung generiert hier intermodal für die Zuschauer erfahr- und erlebbar Sound, Visuals und Space.
Pamela Scorzin, extract 2
Neue Töne vom Theater der KlängeTheater der Klänge heißt das Düsseldorfer Ensemble seit 1987, und in seiner neuesten Produktion spielen die Töne tatsächlich wieder eine Rolle. Sie verkleiden sich in Formen und Farben, menschliche Bewegung und digital erzeugte Filmgebilde. Die „Suite Intermédiale“ hatte kürzlich an der Folkwang-Universität in Essen-Werden Premiere. Dort absolvierten die Gründungsmitglieder der Gruppe einst ihr Studium, wonach sie, ganz im Geiste von Folkwang, die Kunstsparten zusammenwürfelten.
Ihre Stücke befassen sich unter anderem mit Bühnenwerken des Bauhauses; die Darsteller spielten eine moderne Multikultigeschichte wie eine alte Commedia dell’arte und erklärten den Goldenen Schnitt per Tanzinszenierung. In der „intermedialen Suite“, die sie demnächst zum erstenmal in Düsseldorf zeigen, entsagen sie den Geschichten. Stattdessen sind die sieben Kapitel wie im Vorgängerprojekt „HOEReographien“ von 2005 lediglich eine Abfolge von Tänzen.
Einfach machen es sich Regisseur Jörg U. Lensing und sein Team aus Choreografin Jacqueline Fischer, Komponist Thomas Neuhaus, den Videokünstlern Fabian Kollakowski und Falk Grieffenhagen und den sechs Tänzern dabei nicht. Sie verschalten per Kameras, Mikrofonen, Computer, Projektion und Lautsprechern die Tänze, Filmbilder und Klänge. Technische Grundmuster werden zu lebendigen Gestalten. Die Töne, die Instrumentenklängen ähneln, ballen sich wie Wolken oder prasseln wie Schauer. Die Tänzer erscheinen allein oder zu mehreren, in Schwarz und Weiß, später in Grün, Gelb, Rot, machen kleine Bögen, Kreise oder Knicke mit Fuß, Schulter, Ellbogen, Kopf oder greifen weiter aus mit Schwüngen. Mal schnell, mal langsamer, impulsiver oder gedehnter, fast wie Musik.
Manchmal werfen sie Schatten auf die Rückwand. Doch meist wird ihr Abbild verwandelt: in dicke weiße Männchen, schwarzschmierige Schemen oder Teile menschlicher Umrisslinien; sie hinterlassen schleierhafte Spuren von Bewegung wie in Fotoüberblendungen, werden in breite farbige Striche, Buchstaben oder vervielfachte Figürchen ihrer selbst übersetzt, die sich reihen, klumpen oder wie Sterne ins All fliegen. Weit weg von bloßer Live-Kamera-Wiedergabe, die auf Bühnen oft nervt, beschert das Theater der Klänge hier stets unvorhersehbare Trans-Formationen.
Melanie Suchy, Rheinische Post
Die Grenzen der Musik gesprengtDas Theater der Klänge führte den Reigen an. Mit der „Suite intermediale“ lieferte es ein funkelndes Meisterstück. Tänzer lösten fantasievoll in der Folkwang-Aula Tonstrukturen und Bildmuster ab. Da sah man auf der großen Leinwand im Hintergrund flimmernd farbige Silhouetten, verzerrte Gestalten, funkensprühende Figuren. Die Musik von Folkwang-Professor Thomas Neuhaus umfasste atmosphärisch das Geschehen. Manches war nur unter Einsatz von Computer, spezieller Software, Ton und Bildsensoren auf der Bühne möglich. Jörg U. Lensing, Professor für Tongestaltung in Dortmund, ist der führende Kopf des Unternehmens. Bereits 1987 führte er Künstler verschiedener Sparten zusammen und gründete ein Experimentiertheater, das jährlichen Produktionen seither internationale Erfolge einfahren konnte.
Dagmar Schenk-Güllich, WAZ/ Neue Rhein Zeitung
Mehr als neue SichtweisenDie mediale Verwandlung von Choreografie in eine weite Spanne von Klängen und Bilder boten weit mehr als neue Sichtweisen. Sie verblüfften, ließen den Atem stocken oder reizten sogar zu einem spontanen und herzlichen
Zwischenapplaus.
Ostsee Zeitung
High-Tech beim Theater der KlängeBei der Premiere im Tanzhaus NRW in Düsseldorf wurden die zwei Herren, die am Laptop Bilder und Sounds steuern, genauso lautstark gefeiert wie die sechs Tänzer. Es ist ein Wunder digitaler Bildtechnik! Versteckte Kameras, Mikrophone und Lautsprecher sind im Raum verteilt. Sie nehmen jede Armbewegung, jeden Sprung und jede Drehung der drei Paare auf, werfen sie auf eine große weiße Leinwand und erzeugen parallel eine Klangkulisse. Es wabert, blubbert, fiept oder flattert. Dann plätschert und rauscht es. Je nach Größe der Bewegung. Manchmal wird auch einfach das Echo der Schritte in eine Geräusch-Kulisse verwandelt. Das Faszinierende aber ist der Bilderrausch auf der Leinwand, die die intermediale Suite dominiert und die Zuschauer bannt. Spannend sind nicht nur die digitalen Bilder, die eine einzelne Bewegung auffächern, aufspalten, zerlegen und wieder zusammenführen. Besonderen reiz haben die tausendfachen Reproduktionen von Füßen, Beinen, Händen, Köpfen und Armen. Sie türmen sich zu einem Koloss auf. In einer Sekunde, per Mausklick mutieren sie zu einem Strich oder plötzlich zu Tausenden von weißen Fäden, die sich auf der Leinwand, wie in einem Wasserfall ergießen. Ausgeklügelt, raffiniert und nahezu unerschöpflich scheint die Computer-Software. Sie ermöglicht durch die Speicherkapazität selbst die Begegnung der realen Figur mit ihrem digitalen Spiegelbild, das vor wenigen Minuten zu sehen war. Erst am Ende steht eine Frau alleine da und singt ein Lied. Nicht digital, sondern ganz einfach, mit ihrer eigenen Stimme. Wie wohltuend nach soviel High-Tech.
M.G. Müller, NRZ Düsseldorf
THEATER DER KLÄNGE „SUITE intermediale“Das Theater der Klänge macht seinem Namen wieder alle Ehre. (…) Das Düsseldorfer Ensemble, das sich 1987 gründete aus Musikern, Tänzern, Schauspielern und sich oft auch auf die Bauhaus-Bühnenkunst bezog, entwickelte 2005 die „HOEReografien“. Sie bieten ein Szenario, das Tanz mit Film und Klängen verknüpft, indem Kameras oder sonstige technische Sensoren ihn „abnehmen“ und Computerprogramme den Informationshaufen umwandeln in bewegte Bilder und Geräusche.
Die „SUITE intermediale“ (…) punktet mit Abwechslung. Unter der Leitung von Regisseur Jörg U. Lensing, Choreografin Jacqueline Fischer und Komponist Thomas Neuhaus sowie den Videospezialisten Fabian Kollakowski und Falk Grieffenhagen präsentieren sechs Tänzer und eine rückwärtige Großleinwand etwa zwanzig Möglichkeiten, Tanz in Filmbild zu verwandeln. Und in elektronische Klänge, die weniger vielfältig wirken, mit moderaten oder vibrierend schnellen Schlägen, mal ein Marimbaphon, mal einem Cello ähnlich. Die Tänzer improvisieren im fixen Rahmen der Suite, allein oder zu mehreren, variieren Ausschlag, Menge und Dynamik der Gliederschwünge, kombinieren sich in Kontaktimprovisation. (…) Doch ist ihr Ablauf klug dramaturgisiert, besticht gerade in den ruhigen Momenten, die auch den Witz des interaktiven Spiels erkennen lassen: Wenn Tänzer nur normale Schatten werfen, ein ausgestreckter Arm in der Filmwiedergabe als schwarze Form allmählich die ganze Rückwand frisst, wenn ein Farbgewaber plötzlich stillsteht und sich als abstraktes Gemälde ausgibt, wenn das Quietschen nackter Zehen auf dem Boden verfremdet aus den Lautsprechern knarzt. In der schönsten, letzten Szene singt eine Tänzerin. Sie ist allein und tanzt ganz einfach wie das Mädchen in dem Volkslied „Es führt über den Main eine Brücke von Stein, wer darüber will gehen, muss im Tanze sich drehen“. Kleine Echos ihrer Stimme hüpfen durch den Raum.
Melanie Suchy, Tanz