Die mechanische Bauhausbühne

Das „Mechanische Ballett“ wird jetzt „Bühnenorganisation mit einfachen Formen“ genannt. Diese neue Bezeichnung ist genauer, denn unter etwas mechanischen versteht man etwas nur maschinelles, dies war nicht beim „Mechanischen Ballett“, denn die Formen wurden von Menschen bewegt.

Kurt Schmidt

Form-, Bewegung-, Ton-, und Lichtgestaltung einer dynamischen Aktionskonzentration wird „die mechanische Exzentrik“ sein.

Laszlo Moholy-Nagy

Das Ensemble

Besetzung der Uraufführung am 26. November 1987 im Jungen Theater in der Altstadt Düsseldorf

Das mechanische Ballett:
Choreographie und Inszenierung: Jörg U. Lensing
Assistenz: Gudula Schröder, Jacqueline Fischer
Musikkomposition: Hanno Spelsberg
Klavier: Hanno Spelsberg
Schlagzeug: Axel Heinrich
Bratsche: Gesine Böllnitz
Conferencier: Jörg U. Lensing
Windmühle: Claudia Auerbach
Maschinenwesen: Laura Wissing
Lokomotive: Christina Numa
Tänzer: Tanja Nie
Kleiner: Rainer Behr
Lichtdesign und Lichtregie: Siegfried Paul
Figurinen: Entwurf: Kurt Schmidt (1923), Umsetzung: Ernst Merheim, Anfertigung: Udo Lensing
Choreografische Beratung: Malou Airaudo, Heide Tegeder

Die mechanische Exzentrik

Ablaufpartitur und Inszenierung: Jörg U. Lensing
Assistenz: Gudula Schröder
Drahtzieher: Claudia Auerbach, Tanja Nie, Gudula Schröder, Hanno Spelsberg, Laura Wissing
Clownerie: Axel Heinrich
Menschmechanik: Rainer Behr
Bühnenkonstruktion und mechanische Aggregate; Bühnentechnik: Jürgen Steger
Musik: Jörg U. Lensing
Komposition „Elektroapparate“ (von Minute 6-8); Klangregie: Thomas Neuhaus
Choreografie der ‚Menschmechanik‘: Malou Airaudo
Licht: Sascha Hardt
Diaprojektionsgestaltung, Filmprojektor: Sascha Hardt
Verfolger: Christina Numa
Diaprojektor: Ernst Merheim
Kostüme: Janina Mackowski

Filmerstellung:
Version 1 – Interpretation des Typofoto „Dynamik der Großstadt“ von L. Moholy-Nagy als 16mmFilm : Josef Schiefer
Version 2 – Umsetzung des Typofoto „Dynamik der Großstadt“ als Video: Buch: Jörg U. Lensing, Regie: Sascha Hardt, Kamera: Herbert Twardy

In unverzichtbarer Zusammenarbeit an allen Arbeiten von:
Claudia Auerbach, Sascha Hardt, Jacqueline Fischer, Jörg Lensing, Ernst Merheim, Thomas Neuhaus, Tanja Nie, Gudula Schröder, Hanno Spelsberg
Geschäftsleitung: Sascha Hardt
Künstlerische Leitung: Jörg U. Lensing
Öffentlichkeitsarbeit: Ernst Merheim und Sascha Hardt
Publikumsbetreuung: Jacqueline Fischer
Choreographische Beratung: Malou Airaudo, Heide Tegeder

Über die Produktion

„Die mechanische Bauhausbühne“ ist der Programmtitel für zwei am Bauhaus in Weimar in den zwanziger Jahren kreierte Bühnenwerke mit inhaltlich gleichen Ausgangspunkten, der Mechanisierung des Bühnengeschehens als Theaterhandlung. Das erste Stück stammt vom ehemaligen Bauhausschüler Kurt Schmidt und trägt den Namen „Das mechanische Ballett“, zum zweiten Stück schrieb der ehemalige Bauhausmeister Laszlo Moholy-Nagy eine Partitur mit dem Titel „Die mechanische Exzentrik“.

Während „das Mechanische Ballett“ am 17. August 1923 anläßlich der „Bauhauswoche“ im Stadttheater Jena in der Choreographie von Kurt Schmidt mit Musik von Hans-Heinz Stuckenschmidt uraufgeführt wurde, blieb Moholy-Nagys „Mechanische Exzentrik“ ein theoretisch utopisches Theaterprojekt.  Schmidts Werk behandelt die Schichtung zweidimensionaler „Räume“ durch bewegte, abstrakte Bilder. Entfernt an Menschen erinnernde, mannshohe, farbige, geometrische Tanzfigurinen werden von dahinter verborgenen Tänzern so bewegt, daß durch die Choreographie fortwährend ein der abstrakten Malerei gemäßes Bildgeschehen abläuft.

Moholy-Nagys Bühnenwerk bezieht den Film, die dreidimensionale Bühne und mehrere Bühnenebenen zu sich bewegenden Gegenständen, Gitterrastern, Kulissen usw. ein. Am Ende dieses Stückes erscheint ein Tänzermensch im mechanischen Geschehen als lebendes Beispiel der Abstraktion werdenden Integration der menschlichen „Biomechanik“. Eingebunden in die Partitur zur „Mechanischen Exzentrik“ ist eine im Jahr 1921/22 entstandene Skizze zu einem Film „Dynamik der Großstadt“ von Laszlo Moholy-Nagy in Form der dafür vorgesehenen Filmrückprojektion als Bestandteil der „Handlung“.
Die Aufführung bzw. Umsetzung der „Mechanischen Exzentrik“ blieb unter anderem bis heute deshalb Utopie, weil zur damaligen Zeit aus allein technischen Gründen nicht an eine Realisierung dieses Werkes zu denken war.
Dabei wurden beide Stücke, sowie die Umsetzung des Typofotos „Dynamik der Großstadt“ nicht rekonstruktiv erstellt, sondern auf der Grundlage des ästhetisch vorgegebenen Rahmens neu kreiert. Konkret stammen beim mechanischen Ballett die Figurinenentwürfe von Kurt Schmidt und Georg Teltscher, die originalgetreu rekonstruiert wurden. Die Choreographie wurde von Jörg Lensing, die Musik von Hanno Spelsberg 1987 neu geschaffen.

Ebenso ist die „mechanische Exzentrik“ in der Erstinszenierung von J.U. Lensing, sowie das Video „Dynamik der Großstadt“ in der Erstrealisierungen von Josef Schiefer und in einer Zweitrealisierung von Sascha Hardt Eigenkreationen aus dem Jahre 1987 für das Theater der Klänge. Das Doppelprogramm wurde mit großem Erfolg von 1987 bis 1992 in insgesamt 18 Städten in 62 Aufführungen vor ca. 15000 Zuschauern im In- und Ausland gezeigt.

Aktuell wird „das mechanische Ballett“ immer noch im Repertoire des Theaters der Klänge gehalten. Von 1993 bis 1998 wurde es zusammen mit „Figur und Klang im Raum“ im Doppelprogramm „Tanz am Bauhaus“ gezeigt. Seit 2005 wurde es mit „HOEReographien, HOEReographien SUITE und aktuell mit der „SUITE intermediale“ im Programm „Die mecano-elektronische Bauhausbühne“, wie auch als Einzelprogramm gespielt. 2017 war es zuletzt im Doppelprogramm „bauhaus ballette“ zusammen mit unserer Neufassung des „Triadischen Balletts“ (TRIAS) in Düsseldorf zu sehen

Die Videoumsetzung „Dynamik der Großstadt“ von Sascha Hardt wurde 1989 mit einer eigens dafür komponierten Filmmusik von Jörg Lensing vertont und läuft seither immer wieder autonom auf Filmfestivals.

Die mechanische Bauhausbühne in der Presse

Farbe, Form, Musik und Bewegung vereinigen sich auf der Bühne, ohne daß noch ein Schauspieler präsent sein müßte. In Nagys ‚Exzentrik‘ entstehen Bilder von eiskalter Schönheit. Am Ende steht ein geglücktes Experiment das dem Theater seine Grenzen wie einen Spiegel vorhält.

Westdeutsche Zeitung

Endlich! Die Bauhaus-Bühne der Zwanziger Jahre ist zu neuem Leben erweckt! Witzig, spritzig, liebevoll rekonstruiert und perfekt choreografiert. Flächig und doch verblüffend plastisch setzen sich die Figurinen zu immer neuen Bildern zusammen. Hier hat die Mechanik rein künstlerische Funktion und fasziniert mit eigensinnigen Reizen für Auge und Ohr. Ein abenteuerliches Kabinett der Überraschungen.

Neue Rhein Zeitung

Es ist fast ein ‚historisches Verdienst‘ dieser Theatergruppe, heutigem Publikum die Ideen von damals (die den Zuschauern von 1923 revolutionär erscheinen mußten) als Erlebnis vorzustellen. Eindrucksvoll ist vor allem die Musik, welche Jazzelemente und volkstümliche Rhythmen der damaligen Zeit zum akustischen Genuß werden lassen. Die Bewegungen des Balletts sind maschinell, dabei auch witzig, fröhlich und platzend vor technischem Optimismus. Im Bild läuft ein Film. Dada und Futurismus treffen sich hier. Begeisterter Applaus für das Theater der Klänge.

Rheinische Post

Idealismus und intelligente Eigeninitiative sind die Tugenden des Düsseldorfer Ensembles „Theater der Klänge“. Wenn dazu die überzeugende künstlerische Leistung kommt – wie beim Auftritt mit der nachgebauten mechanischen Bauhausbühne – darf man von einer Idealkonstellation sprechen. Das Düsseldorfer Ensemble – ihm lag nur ein Bild der Erstaufführung (des mechanischen Balletts) vorhat sich die quasi mechanischen Bewegungsabläufe völlig neu (und großartig) erarbeitet und sie mit pantomimischen Witz durchsetzt. Den „Drahtziehern“ hinter der Bühne, dem Komponisten und Inszenator und allen Mitwirkenden gebührt für ihren Einsatz und das stimmige Resultat ein Kompliment. Sie haben die Kulturlandschaft mit einem unverwechselbaren Farbtupfer bereichert.

Kölner Stadtanzeiger

Erst der Einsatz modernster Bühnentechnik machte in unseren Tagen eine Realisierung der komplizierten Partitur und damit die Düsseldorfer Premiere des „Theater der Klänge“ möglich. Mag eine derart „technokratische Kunst“ auch zunächst befremdlich und ungewohnt wirken, ihrer unmittelbaren Faszination kann man sich dennoch nur schwer entziehen. Dies ist nicht zuletzt ein Verdienst der jungen Theatermacher, deren Interpretationen nicht nur von einem beeindruckenden Perfektionsgrad, sondern auch von übergreifender Lebendigkeit und Spielfreude geprägt sind.

Der Treff (Weimar/DDR)

Von klarer Präzision die beiden Programme der „mechanischen Bauhausbühne“. Erst in der Computerkultur unserer Tage sind die technischen Voraussetzungen gegeben, um die dynamische Konzentration von Form, Bewegung, Ton und Licht auf der Bühne zu realisieren. Diese Aufführungen des in Düsseldorf frei arbeitenden „Theaters der Klänge“ galten als historische Vergewisserung ihres eigenen Experimentieranspruchs.

Frankfurter Allgemeine

Das junge Theater der Klänge aus Düsseldorf hat mit seiner ersten Produktion gleich einen großen Coup gelandet. Seine Bemühungen blieben nicht in der Absicht stecken, sondern, gerieten zum Triumph von Phantasie, Könnerschaft und Präzision. Man hat gegraben und ist fündig geworden, hat sich Vergangenem gewidmet und damit beeindruckend zeitgemäßes zu Tage gefördert. Technik und Menschen sind Ingredienzien einer magischen Bilderflut, die immer aufs neue Spannung erzeugt. Benommen taucht man schließlich aus diesem Sog bewegter Bilder wieder auf, aber auch reicher um das Erlebnis wundersam in Bewegung gesetzter Phantasien.
Süddeutsche Zeitung

Und was die Bauhäusler einst ahnten, haben die Düsseldorfer endlich bewiesen: Daß der Mensch der Mechanik das Wesen des Theaters verleihen kann.

Mitteldeutsche Zeitung

Die mechanische Bauhausbühne: Audio