NEUE elektronische TÖNE

„NEUE TÖNE war weit mehr als eine Konzertreihe – es war ein Statement“

 

Jörg U. Lensing

Das Konzert am 25. Oktober 2025

Fünf experimentelle Künstler definieren aktuelle elektronische Musik

Düsseldorf, September 2025 – Es war eine der einflussreichsten Konzertreihen für zeitgenössische Musik in Düsseldorf und darüber hinaus: Von 1981 bis 1988 prägte NEUE TÖNE die Szene experimenteller Klänge und verstärkte damit in den 1980er Jahren Düsseldorfs Ruf als einem wichtigen Zentrum der Neuen Musik. Nach 36 Jahren Pause erweckt das THEATER DER KLÄNGE diese Reihe zu neuem Leben – mit einem außergewöhnlichen Konzert, das fünf Generationen elektronischer Musikinnovation vereint.

Am 25. Oktober 2025 um 19:30 Uhr im TEMPLUM Düsseldorf (Bergische Landstraße 35) präsentieren fünf Düsseldorfer Künstler ihre avantgardistischen Ansätze elektronischer Musik: von akusmatischer Elektronik über algorithmische Live-Coding-Performance und Maya-inspirierte Klangarchitekturen bis hin zu polyrhythmischen Experimenten.

Eine Reihe schreibt Geschichte

„NEUE TÖNE war damals weit mehr als eine Konzertreihe – es war ein Statement“, erinnert sich der Komponist Jörg U. Lensing, der die ursprüngliche Reihe 1981 gemeinsam mit der Komponistin Maria de Alvear und dem Komponisten Francisco Estevez gründete. „Wir wollten zeigen, dass experimentelle Musik nicht im Elfenbeinturm stattfindet, sondern mitten im Leben der Stadt.“

Die Reihe etablierte sich schnell als Wegbereiter für innovative Klangkonzepte und brachte internationale Größen der Neuen Musik nach Düsseldorf. 1987 ging aus diesem kreativen Umfeld das THEATER DER KLÄNGE hervor, das bis heute als international erfolgreiches Ensemble für zeitgenössisches Musik- und Tanztheater aktiv ist.

Fünf Künstler, fünf Visionen

Das Comeback-Konzert vereint fünf grundverschiedene Ansätze elektronischer Musik und spannt dabei einen generationsübergreifenden Bogen der von 1960 bis 1988 geborenen Komponisten:

Kompositionen

Max Yip | Silent Panda (Akusmatische Elektronik)

Axel Ganz | For Peter Roehr (Live-Coding Performance – Elektronik: Axel Ganz)

Christian Banasik | IK – Expanded (für Flöte(n) und Elektronik – Flöte(n): Stefan Oechsle | Elektronik: Christian Banasik)

Michio Woirgardt | Thresholds (Live Looping Performance –Live Looping: Michio Woirgardt)

J.U. Lensing  Gleichschritt-Abkehr (Uraufführung für Elektronik und Tambourtrommel – Trommel: Tobias Liebezeit | Elektronik: J.U. Lensing)

Video: NEUE TÖNE Trailer

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Max Yip

Max Yip (geb. 1988) eröffnet den Abend mit „Silent Panda“ – einer akusmatischen Elektronik-Komposition, die ausschließlich über Lautsprecher erklingt und den Raum selbst zum Instrument macht. Die rein elektroakustischen Klänge schaffen eine meditative Einführung in die Welt elektronischer Klangkunst.

Axel Ganz am Mischpult. Bild: Heike Kurth

Axel Ganz

Axel Ganz (geb. 1965) macht mit „For Peter Roehr“ den Kompositionsprozess selbst zur Performance: Seine Live-Coding-Performance mit der Programmierumgebung Tidal Cycles wird live projiziert und verwandelt Algorithmen in unmittelbare Klangerlebnisse.

Christian Banasik bei einem Konzert. Bild: Lea Wolf

Christian Banasik

Christian Banasik verbindet in „IK – Expanded“ präkolumbianische Kultur mit modernster Technologie: Ausgehend von einem mittelamerikanischen Volkslied und virtuell generierten Maya-Fragmenten entstehen virtuose Flötenvariationen, die mit algorithmisch gesteuerten elektronischen Klängen dialogisieren.

Michio Woigardt Portrait. Bild: Klaus Handner

Michio Woigardt

Michio Woirgardt, einer der gefragtesten Komponisten für zeitgenössischen Tanz, präsentiert„Thresholds“: eine Live-Looping-Performance, die Alltagsgegenstände zu Instrumenten umfunktioniert und analoge mit digitaler Technik verschmilzt.

Jörg U. Lensing, Künstlerischer Leiter und Regisseur Theater der Klänge

J.U. Lensing

Den Abschluss des Konzertes bildet die Uraufführung von „Gleichschritt-Abkehr“ durch J.U. Lensing selbst: Das neue Werk für Elektronik und Tambourtrommel (gespielt von Tobias Liebezeit) verlässt bewusst den allgegenwärtigen 4/4-Takt und erkundet polyrhythmische Welten, inspiriert von der klassischen Moderne und außereuropäischen Musikkulturen.

Dialog zwischen Generationen

„Was alle fünf Werke verbindet, ist die kreative Auseinandersetzung mit traditionellen musikalischen Strukturen“, erklärt Lensing. „Aber wo wir damals noch mit analogen Synthesizern und Tonbandgeräten experimentierten, arbeiten die Künstler heute mit Algorithmen, die in Echtzeit komponieren, oder verwandeln Live-Coding in Musik.“

Das Programm spiegelt damit nicht nur die Entwicklung elektronischer Musik der letzten vier Jahrzehnte wider, sondern zeigt auch, wie sich die Beziehung zwischen Mensch und Maschine in der Musikproduktion gewandelt hat. Mit Künstlern der Geburtsjahrgänge 1960 bis 1988 entsteht ein faszinierender Generationendialog über fast drei Dekaden elektronischer Musikgeschichte.

Rückkehr mit Tradition und Innovation

Dass NEUE TÖNE ausgerechnet jetzt zurückkehrt, ist kein Zufall: „Die elektronische Musik erlebt gerade eine Renaissance“, beobachtet Lensing. „KI-gestützte Komposition, Live-Coding, algorithmische Musik – die Werkzeuge bieten heute mehr Möglichkeiten denn je. Aber die Grundfrage bleibt dieselbe wie 1981: Wie schaffen wir es, dass Technologie der Musik dient und nicht umgekehrt?“

Die Antworten, die die fünf Künstler am 25. Oktober geben, könnten beispielhaft sein – nicht nur für Düsseldorf, sondern für die elektronische Musik insgesamt.

NEUE elektronische TÖNE
25. Oktober 2025, 19:30 Uhr
TEMPLUM Düsseldorf, Bergische Landstraße 35, 40629 Düsseldorf

PROGRAMM

Max Yip

Silent Panda
Akusmatische elektronische Musik

Axel Ganz

For Peter Roehr
Live-Coding Performance
Elektronik: Axel Ganz

 

Christian Banasik

IK – Expanded
Performance für Flöte(n) und Elektronik
Flöte(n): Stefan Oechsle
Elektronik: Christian Banasik

Michio Woirgardt

Thresholds
Live Looping Performance
Live Looping: Michio Woirgardt

J.U. Lensing

Gleichschritt-Abkehr (Uraufführung)
für Elektronik und Tambourtrommel
Trommel: Tobias Liebezeit
Elektronik: J.U. Lensing


WERKBESCHREIBUNGEN

For Peter Roehr

Axel Ganz

Axel Ganz setzt sich in seiner musikalischen Arbeit mit generativer Musik und algorithmischer Komposition auseinander. In „For Peter Roehr“ arbeitet er mit der Programmierumgebung Tidal Cycles und einem Echogerät, um sich mit dem Phänomen des Loops im digital-analogen Wechselspiel auseinanderzusetzen.

Der performative Akt des Codes als ausführende musikalische Tätigkeit wird den Zuhörern durch eine Projektion sichtbar gemacht – eine faszinierende Verbindung von Programmierung und Live-Performance.

IK – Expanded

Christian Banasik

Im Zentrum der Performance steht das Werk „IK“ – der Name des zweiten Tages im rituellen Kalender der Maya, assoziiert mit Atem, Luft und Wind. Als Ausgangspunkt dient ein zeitgenössisches Volkslied aus Mittelamerika und ein virtuell generiertes Originalfragment der Maya.

Die Flötenpartitur besteht aus virtuosen Variationen der Motive, gemischt mit einer Sonifikation der grafischen Analyse der Maya-Glyphe. Das Werk ist in zwanzig verschiedene Fragmente unterteilt, wobei algorithmische Vorgaben die elektronischen Flöten steuern und dem live gespielten Solo-Part folgen.

Das Stück wird mit stark kontrastierenden Klängen einer elektronisch manipulierten Kontrabassflöte schrittweise aufgebaut und umspielt.

 

Thresholds

Michio Woirgardt

Der Threshold bei der Musikkompression ist eine Einstellung, die bestimmt, ab welchem Pegel ein Audiosignal vom Kompressor bearbeitet wird. Signalanteile, die unterhalb des Schwellenwerts liegen, werden nicht komprimiert, während Pegelspitzen, die darüber liegen, komprimiert werden.

Die deutsche Übersetzung „Schwelle“ als Metapher, kann verschiedene Übergänge oder Begrenzungen symbolisieren, sowohl räumlich als auch zeitlich oder metaphorisch. Sie steht oft für einen Punkt, an dem eine Veränderung stattfindet, ein neuer Abschnitt beginnt oder eine Grenze überschritten wird.

In seiner Komposition „Thresholds“ setzt sich Michio Woirgardt mit dem Moment der Schwelle sowohl als lähmendes Vakuum, als auch als besonderes Erfahrungsmoment der erfüllten Präsenz zwischen unabgegoltenem „Damals“ und noch blinden Zukünften auseinander.

 

Gleichschritt-Abkehr (Uraufführung 2025)

Jörg U. Lensing

In „Gleichschritt-Abkehr“ wird der allgegenwärtige 4/4-Takt der populären Musik bewusst verlassen und hinterfragt. Die Komposition erkundet rhythmische Welten, die über die gewohnten metrischen Strukturen hinausreichen.

Inspiriert von Rhythmuskonzepten der klassischen Moderne, polymetrischen Traditionen außereuropäischer Musikkulturen und polyrhythmischen Mustern verschiedener Kulturen, entsteht ein faszinierendes Spannungsfeld zwischen elektronischen Rhythmen und live gespielten perkussiven Elementen.

Die Arbeit schöpft sowohl aus der Kraft repetitiver Strukturen als auch aus mathematisch durchdachten Kompositionsansätzen und zeitversetzten Polyrhythmen. „Gleichschritt-Abkehr“ lädt dazu ein, sich von der Dominanz des Viervierteltaktes zu befreien und die treibende Komplexität polyrhythmischer Strukturen zu erleben.


KÜNSTLERBIOGRAPHIEN

Axel Ganz

Geboren 1965 in Gelsenkirchen

Produzierte Filmmusik für Kurz- und Experimentalfilme und arbeitete für renommierte Theater (Düsseldorfer Schauspielhaus, Theater Oberhausen, HAU Berlin, Theaterhaus Gessnerallee Zürich).

Seit 2009 experimentiert er mit algorithmischen Musikproduktionstechniken und veröffentlicht auch unter dem Pseudonym Pondskater elektronische Musik. 2018 gründete er zusammen mit Markus van Well „Toplap Düsseldorf“, ein Netzwerk für generative Kunst, algorithmische Musik und Klangkunst im digitalen Raum.

Christian Banasik

Komponist und Dozent, Düsseldorf

Studierte Komposition und Live-Elektronik bei Günther Becker und Dimitri Terzakis an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf sowie Computermusik bei Klarenz Barlow in Köln. Ein Aufbaustudium folgte bei Hans Zender in Frankfurt am Main.

Seine instrumentalen und elektronischen Werke wurden in Konzerten und Radioprogrammen in Europa sowie in Nord- und Südamerika, Asien, Afrika und Australien aufgeführt. Dozent für Audiovisuelles Design an der Hochschule Düsseldorf und Leiter des Computermusik-Studios an der Clara-Schumann-Musikschule.

Michio Woirgardt

Komponist und Live-Musiker

Einer der gefragtesten Komponisten und Live-Musiker für Ballett und zeitgenössischen Tanz. Studierte Gitarre an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst des Saarlandes.

Sein kompositorischer Ansatz besteht in der Kombination analoger und digitaler Technik sowie in der Verschmelzung scheinbar widersprüchlicher musikalischer Parameter. Alltagsgegenstände werden zu Musikinstrumenten umfunktioniert und mit exotischen Instrumenten verschmolzen.

Hat für zahlreiche Staatstheater und freie Kompanien komponiert und 2010 mit der Choreografin Maura Morales die zeitgenössische Tanzkompanie „Cooperativa Maura Morales“ gegründet.

Jörg U. Lensing

Geboren 1960 in Düsseldorf

Studium Komposition/Elektronische Musik an der Folkwang Hochschule Essen bei Prof. Hufschmidt und Prof. Reith, anschließend Neues Musiktheater bei Mauricio Kagel in Köln.

1981 gründete er zusammen mit Maria de Alvear und Francisco Estevez die Düsseldorfer Konzertreihe „NEUE TÖNE“, die bis 1988 innovative Konzerte mit Neuer Musik veranstaltete. 1987 folgte die Gründung des Theaters der Klänge in Düsseldorf, dessen künstlerischer Leiter er bis heute ist.

Seit 1996 Professor für Tongestaltung/Sounddesign an der Fachhochschule Dortmund. Arbeitet als Komponist, Regisseur und Filmmusiker sowie als Autor zahlreicher Fachbücher zum Sounddesign.


KONZEPTUELLE VERBINDUNGEN

Alle vier Werke dieses Abends verbindet die Auseinandersetzung mit den Grenzen traditioneller musikalischer Strukturen. Ob durch die Abkehr vom 4/4-Takt bei Lensing, die Verschmelzung alter Maya-Kultur mit moderner Elektronik bei Banasik, die sichtbar gemachte Programmierung bei Ganz oder die Transformation von Alltagsgegenständen zu Instrumenten bei Woirgardt – jeder Komponist erforscht neue Wege der Klangerzeugung und -organisation.

Die Live-Elektronik steht dabei nicht im Gegensatz zur akustischen Performance, sondern erweitert die klanglichen Möglichkeiten und schafft neue Formen des musikalischen Dialogs zwischen Mensch und Maschine.


Ein Abend, der die Vielfalt zeitgenössischer elektronischer Musik und ihrer innovativen Verbindungen zu traditionellen Instrumenten und kulturellen Bezügen erlebbar macht.


Veranstaltungsort

TEMPLUM Düsseldorf
Bergische Landstraße 35
40629 Düsseldorf

Theater der Klänge
www.theater-der-klaenge.de