Die Neuberin
Die Passion einer deutschen Prinzipalin
Hier hast du was zu hören. Nicht etwan von einem grossen gelehrten Manne; Nein! nur von einer Frau, deren Namen du aussen wirst gefunden haben, und deren Stand du unter den geringsten Leuten suchen mußt: Denn sie ist nichts, als eine Comodiantin…
Das Ensemble
Besetzung der Uraufführung am 7. Januar 1999 im Tanzhaus NRW Düsseldorf
Die Darsteller in der Reihenfolge ihrer Auftritte:
Friederike Caroline Neuber, Schauspielerin, später Prinzipalin: Kerstin Hörner
Daniel Weißenborn, Notar, Vater der Neuberin: Clemente Fernandez
Johann Neuber, Handwerker, später Prinzipal: Matthias Weiland
Josef-Ferdinand Müller, Schauspieler, später Prinzipal: Clemente Fernandez
Johann Christian Spiegelberg, Prinzipal: Francesco Russo
Madame, eine Schauspieldebutantin: Christiane Boian
Graf Brühl, Kulturverantwortlicher am Dresd´ner Hof: Jörg U. Lensing
Sophie Haak-Hoffmann,Schauspielerin, Prinzipalin: Svenja Zschenderlein
Heinrich Gottfried Koch, Schauspieler, später Prinzipal: Clemente Fernandez
Johann Christoph Gottsched, Magister, später Professor der Literatur: Jörg U. Lensing
Johann Friedrich Schönemann, Schauspieler, später Prinzipal: Francesco Russo
Frieda, Kleindarstellerin:Desirée Vach
Johann Sebastian Bach, Komponist und Musiker: Jörg U. Lensing
Gotthold Ephraim Lessing, Student und Autor: Francesco Russo
Christiane Lorenz, Schauspielerin: Desirée Vach
Tänzer: Jacqueline Fischer,Mario Kubitza
Sänger, Cello, Percussion: Tobias Schlierf
Sopran: Christiane Boian
Buch: J.U.Lensing, Clemente Fernandez
Regie: J.U.Lensing
Choreografie: Jacqueline Fischer
Komposition: Johann Sebastian Bach,in einer Bearbeitung von J.U.Lensing/Tobias Schlierf
Antonio Vivaldi, in einer Bearbeitung von J.U.Lensing
Regieassistenz: Savina Vassiliadis
Off-Stimmen: Dieter Brandecker/Kerstin Hörner
Video-Realisation: Martin Rottenkolber
Klanggestaltung:Jörg U. Lensing
Bühnenbild: Savina Vassiliadis/J.U.Lensing/Udo Lensing
Kostümbild: Caterina Di Fiore
Kostümassistenz: Constanze Lichel, Elke Goldmann
Lichtgestaltung: Horst Mühlberger
Choreinstudierung: Christiane Boian
Plakat- und Programmgestaltung: Ernst Merheim
Fotos: Barbara Bechtloff/Oliver Eltinger
Video- und Tonregie: Sascha Hardt
Dramaturgische Beratung: Nirupama Nityanandan
Choreographische Beratung: Barbara Hampel
Architektonische Beratung: Susanne Annen
Künstlerisches Betriebsbüro: Dorothea Verheyen
Über die Produktion
„Die Neuberin – Die Passion einer deutschen Prinzipalin“ war unsere erste große Theaterstoffentwicklung, welche die Jahre 1997 bis 1999 in Anspruch nahm.
Friederike Caroline Neuber, die „Neuberin“ genannt, war eine ungewöhnliche Frau. Sie versuchte in ihrer Zeit die Gründung eines gehobenen städtischen Bürgertheaters, als neues Theater zwischen den damaligen Formen der elitären italienisch, höfischen Oper und den Boulevard-Bretterbuden auf den Marktplätzen.
So sehr sie in jungen Jahren Furore machte und es sogar schaffte einige Autoren an ihre Bühne zu binden, so sehr setzte ihr die männerdominierte Konkurrenz zu, so daß sie am Ende ihr eigenes Theaterhaus, ihre Truppe und zuletzt sogar ihre Reputation verlor.
Trotzdem setzte diese Frau Zeichen für das Theater und bereitete mit ihren Bemühungen einem Lessing und in dessen Nachfolge einem Goethe und Schiller und damit der Entstehung eines niveauvollen aufklärerischen Theaters in Deutschland die Grundlage. Diese Frau schrieb Theatergeschichte, obwohl sie bis heute – ungerechtfertigterweise – wenig bekannt ist.
Sie begründete einen neuen Ensemblebegriff, einen neuen Umgang mit Text, eine neue Einbindung von Musik in ihren Theaterstücken und stellte in Deutschland als erste die Frage nach der Notwendigkeit fester, stehender Theater. Sie überzeugte die größte Zeit ihres Lebens sowohl als großartige Schauspielerin, wie auch als Prinzipalin ihrer eigenen Truppe.
Dieser Stoff wurde von den Autoren Clemente Fernandez und J.U.Lensing in den Jahren 1997/98 zu einem Theaterstoff entwickelt, der in 24 Szenen das Leben der Neuberin von ihrem 19 Lebensjahr bis zu ihrem Tod reflektiert. Das dreieinhalbstündige Theaterstück erlebte 20 Aufführungen in Düsseldorf, Essen, Köln, Gotha, Weimar und Zwickau.
Im Anschluß an die Aufführungsserie entstand als Kompilation des Theaterstücks ein einstündiges Hörspiel von J.U.Lensing, welches als Hörbuch-CD veröffentlicht wurde. (erhältlich über unseren Shop)
Die Neuberin in der Presse
Das Düsseldorfer „Theater der Klänge“ holt sie auf die Bühne zurück. In einem über dreistündigen multimedialen Bilderbogen ließ das freie Ensemble das Leben der Neuberin Revue passieren. (…) Kerstin Hörner meistert die Titelrolle bewundernswert wandlungsfähig. Regisseur Jörg U. Lensing, der mit Clemente Fernandez Texte und Musik bearbeitete, gibt den gönnerhaften Grafen angemessen jovial, Matthias Weiland Herrn Neuber und Herrn Reich-Ranicki (in einer winzigen Episode) mit Pfiff. Die Ironie: am besten unterhalten fühlte sich das Publikum von den virtuosen Commedia dell´arte-Harlekinaden von Clemente Fernandez als Neuberin-Gegenspieler Josef-Ferdinand Müller.
Theater pur, Essen
Das alles wäre eine fleißig und penibel erarbeitete Praxisstudie für Theaterwissenschafts-Oberseminaristen, hätte das „Theater der Klänge“ nicht viel Energie auf diese Spielszenen verwandt. So gibt es pralles (Theater-) Leben, nicht zufällig fühlt man sich hier und da an Ariane Mnouchkines filmische Moliere-Hommage erinnert. Die drallen Hanswurstiaden des zeitgenössischen Volkstheaters sind dank teilweise hervorragender Schauspieler ebensowenig trockene Theorie, wie viele kleine Portraits, die Lensing/Fernandez in ihr Libretto eingestreut haben.
Kölner Stadt-Anzeiger
Bei dem Düsseldorfer Ensemble, allen voran Kertin Hörner als Neuberin, ist viel zu spüren von der Spiellust dieser frühen Schauspieltruppe. Regisseur Jörg U. Lensing macht die hohen Anforderungen, die ein Komödiant damals schon erfüllen mußte, durch eine Staffelung der szenischen und musikalischen Mittel transparent.
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Jörg Lensing (auch Regie) und Fernandez haben das hervorragende Textbuch in alter, metaphorischer Sprache verfaßt. Gesang und sensibles Spiel des Cellisten Tobias Schlierf fügen sich prägnant ein.
Westdeutsche Zeitung
Ihre authentische Geschichte lieferte die Vorlage für ein wuchtiges Theater-Ereignis, das jetzt im Düsseldorfer Tanzhaus Premiere hatte. In einem dreieinhalbstündigen Marathon werden die Stationen eines sehr modern anmutenden Kampfes um Kunst und Karriere, Beruf und Berufung nachgespielt. Triumph und Scheitern dieser außergewöhnlichen Frau (1697-1760) werden wie in einem barocken Welttheater beschworen, pathetisch und sinnlich zugleich. In inhaltsschweren Dialogen wird der historische Umbruch vom Volkstheater auf den Märkten und Straßen zum institutionalisierten höfischen und bürgerlichen Theater thematisiert. Angesprochen wird damit auch der Zwiespalt zwischen der Bühne die sich als moralische Lehranstalt versteht, und derjenigen, die sinnenfroher Massenunterhaltung dient. Der Bezug auf die heute mit den Theatern konkurrierenden Musical- und Kinopaläste ist offensichtlich. Im Text der Ensemblemitglieder Jörg U. Lensing und Clemente Fernandez mischt sich barocker Wohlklang sperrig mit Alltagssprache. Das Unterfangen soll eine Reflexion des eigenen Tuns sein, soll den empfundenen Zwiespalt in der Schwebe halten. So will „Die Neuberin“ keine reine Unterhaltung sein – und unterhält auch nicht. Das Drama will ausdrücklich kein Lehrstück sein – und setzt auch alles daran, kein Seminar in deutscher Theatergeschichte zu werden. Prächtige Kostüme (entworfen von Caterina Di Fiore), Ausdruckstanz (Jacqueline Fischer choreografierte für sich und ihren Partner kurze widerspenstige Zwischenstücke), Video-Projektionen, aufwendige Lichtführung und viele barocke Musik-Einspielungen ergänzen, kommentieren, skandieren das Geschehen auf der weiten Bühne. (…)
Rheinische Post
Jörg U. Lensing, der Leiter des Düsseldorfer Theater der Klänge hat der Titelfigur seines jüngsten Stücks „Die Neuberin“ mit dem Untertitel „Die Passion einer deutschen Prinzipalin“ einen schönen Spruch in den Mund gelegt: „Neue Wege findet man nicht durch Rückwärtsschauen“. Für Lensings Theater gilt dieser Spruch freilich nur sehr bedingt. In den zwölf Jahren seit seiner Gründung hat das Theater der Klänge fast immer nur retrospektiv gearbeitet. Es hat „Die barocke Maskenbühne“ wiederauferstehen lassen, ist mit einem „LUDUS DANIELIS“ ins Mittelalter zurückgetaucht, hat der deutschen November-Revolution von 1918 nachgespürt und gleich mehrfach Tanzstücke des Bauhaus rekonstruiert. Auch Lensings „Neuberin“ (…) ist in mehrfacher Hinsicht eine Rückschau. (…) Das Stück ist reich an bedenkenswerten ästhetischen Sentenzen und historischen Parallelen, zieht aber nie die Konsequenz aus ihnen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Das Theater der Klänge hat aus dieser theaterhistorischen Möglichkeit einen spannenden, hoch komplexen gut dreistündigen Abend gemacht. (…) Auf den ersten Blick scheinen in der „Neuberin“ Tanz, Videoproduktionen, Spielszenen und Musik auseinanderzufallen. Doch dem Werk liegt ein sehr genau durchkomponierter inhaltlicher Formplan zugrunde. Zusammengehalten durch die Abfolge der Monate eines Jahres verweist das Zyklische darauf, daß es sich um kein Einzelschicksal gehandelt hat. Immer wieder werden Texte und Situationen variiert wiederholt. (…) Lensings Text ist wie eine Partitur.
Die deutsche Bühne