Unser Gastspiel in Weimar war ein großer Erfolg für unser „Lackballett“, aber auch für die Wiederaufnahme einiger Sätze aus unserer 2016er Produktion „Die Kunst der Tanz-Fuge“. Aber bevor wir hier selber schreiben, wie unser Arbeit in Weimar aufgenommen wurde, lassen wir den Weimarer Zuschauer Matthias Huth zu Wort kommen, der folgendes auf FB schrieb:
„…Vor der Pause stellten sich dann vier Tänzer der Düsseldorfer Tanzgruppe der „Kunst der Fuge“ mit elektronisch verfremdeten Klängen und einer animierten Leinwand. Fließende Strukturen, angedeutete Pas de deux und Konzentration auf die körperliche Bewegung deuteten schon eindrucksvoll die Intensität an, welche im zweiten Teil des späten Nachmittags folgen sollte.
Denn der geriet zu einer der besten, intelligentesten und multimedial überwältigenden Ballettproduktionen, die ich je gesehen habe (und ich bin da immer noch mit „La Fura dels Baus“ oder Nacho Duato durchaus kunstfestverwöhnt). Das sechsköpfige Tänzerteam widmet sich mit dem „Lack-Ballett“ einer Schaffensphase von Oskar Schlemmer, die weitestgehend unbekannt, eine weitere Facette dieses Künstlers zeigte.
Kurzer Exkurs: Oskar Schlemmer durfte nach der Machtergreifung durch die Nazis weder öffentlich lehren noch schaffen, da seine Kunst als „entartet“ galt. Es ist dem Großindustriellen Dr. Kurt Herberts zu danken, dass er Schlemmer in seiner letzten Lebensphase mit seinem experimentellen Malstudio, das seiner Wuppertaler Lackfabrik zugeordnet war, unter seine finanziellen Fittiche nahm. (Damals förderten die gutsituierten Unternehmer eben noch Künstler statt Fußballer …)
Schlemmer wiederum hatte dadurch die Möglichkeit, mit diesen Lacken Bilder zu schaffen, die von seiner sonst gegenständliche Malerei abwichen, und das Farbspektrum des Künstlers ebenso sinnlich wie abstrakt widerspiegelten. Zudem war Schlemmer dem Ballett zugeneigt, und sprengte schon damals mit seinem Bühnenschaffen die klassisch tradierte Form mit Elementen von Volkstanz, Archaik und bildender Kunst.
Das „Theater der Klänge“ übersetzt seine Intentionen kongenial mit multimedialen Mitteln. Die schwarzgewandeten Tänzer agieren mit farbigen Tüchern, fächerartigen Objekten, Metallkugelkonstruktionen und sinnfälligen Überwurf-Kostümen. Diese werden durch einen Videokünstler durch unterschiedliche Übertragungen auf die Leinwand projiziert. Diese beständige Interaktion schafft punktgenau und sehr konzentriert Hintergründe, welche den Schlemmerbildern ähneln oder entsprechen. Durch die treibende, sich boleroartig steigernde elektronische Interpretation eines Stücks von Georg Friedrich Händel entsteht ein rhythmischer Sog und Farbrausch, der schließlich nach einer Stunde in einem faszinierenden, und sinnlich betörenden Schlussbild endet. Zwischendurch bringt eine Tänzerin durch Zitate Schlemmers sprachlich eingängig und einfallsreich, auch die Denkart des Malers in das Bühnengeschehen ein.
In vollendet choreografierten Abschnitten entsteht so ein Panoptikum moderner Kunst, welches ebenso emotional wie genreübergreifend die freiheitliche Idee des Bauhauses nahebringt. Anders spekuliert: Wären Schlemmer die heutigen Medien zugänglich gewesen, hätte er sicher diese Form gefunden.
Zum Schluss Standing ovations und tosender Applaus in dem wunderbaren Ambiente des Schießhauses. Ein Höhepunkt im Veranstaltungsreigen der Stadt und eine Produktion, die Bauhaus-Ehrungen Weimars in einer Wiederholung sehr gut anstehen würde.
Bravissimo!“