Die barocke Maskenbühne

nach Ideen aus „Die neue und curieuse, theatralische Tantz-Schul“ von Gregorio Lambranzi aus dem Jahr 1716

Meine Truppe, die da besteht aus dene Musici, Komodianten und Tänzerinnen, wird Ihnen in vielerlei kurze Szenen einen Ausschnitt aus dene Moglichkeiten von Tanz präsentieren. Um in diesem Theatro nicht nur den Tanz zu seinem Recht kommen zu lassen, haben wir die vielen unterschiedlichen Tanze mit komodiantischen Spielszenen verbunden, die diese Tänze von Zeit zu Zeit einleiten oder fortführen werden.

Gregorio Lambranzi

Das Ensemble

Besetzung der Uraufführung am 6. April 1989 im Malkasten Düsseldorf in der Reihenfolge der Szenen:
1) Gregorio Lambranzi: Jörg Balschun, Frau Lambranzi: Deda Colonna
2) Mezzetino: Kersten Müngersdorf, Mezzetina: Brygida Mich
3) Venezianer: Jacqueline Fischer, Venezianerin: Claudia Auerbach
4) Dottore: Jörg Balschun, Capitano: Axel Heinrich
5) Hoftänzerinnen: Jacqueline Fischer, Claudia Auerbach
6) Harlekino: Axel Heinrich, 2 alte Frauen: Elena Lagutari, Brygida Mich
7) Lambranzi: Jörg Balschun, Tänzerinnen: Jacqueline Fischer, Claudia Auerbach
8) Bettler: Kersten Müngersdorf, Harlekino-Musiker: Axel Heinrich
9) Bauer: Jörg Balschun, Bäuerin: Brygida Mich
10) wie 9)
11) Schiffer: Jacqueline Fischer, Schifferin: Claudia Auerbach
12) Harlekino: Axel Heinrich, Coviello: Jörg Balschun
13) Pulchi:Axel Heinrich, Punta: Kersten Müngersdorf
14) Frau Lambranzi: Deda Colonna, Pantalone:Elena Lagutari
15) Pantalone: Elena Lagutari, Närrin: Brygida Mich
16) Narr: Jörg Balschun, Närrin: Brygida Mich
17) Tartaglia: Kersten Müngersdorf
18) Narcissine: Jacqueline Fischer, Claudia Auerbach
19) Brighella: Jörg Balschun, Colombine: Brygida Mich
20) Pulchinella: Kersten Müngersdorf
seine Frau: Elena Lagutar, 
21) Gregorio Lambranzi: Jörg Balschun
22) Hut-Fuß-Figuren: Jacqueline Fischer, Claudia Auerbach
23) Capitano: Axel Heinrich, 2 Hut-Fuß-Figuren:Kersten Müngersdorf,Elena Lagutari
24) 4 Kavaliere: Deda Colonna, Susanna Zumdick, Jacqueline Fischer, Claudia Auerbach
Musik:
Cembalo, Violine: Hanno Spelsberg
Schlagzeug, Hackbrett: Axel Heinrich
Querflöte, Holzflöten: Johannes Leis
Posaune, Trompete: Peter Arnolds
Bühnenarbeiter: Jürgen Steger, Thomas Neuhaus
Sgatello, der Diener: Konrad Bruchmann
Beleuchter: J.S. Hardt
Buch: Ensemble des Theater der Klänge; J.U.Lensing
Choreografien und Inszenierung: Jörg U. Lensing
Choreografie der ‚höfischen‘ Tänze: Deda Colonna
Komposition der höfischen Tanzmusiken: Hanno Spelsberg
Szenische- und Spielmannsmusik: Peter Arnolds, Axel Heinrich, Johannes Leis, Hanno Spelsberg
Kostüme, Entwürfe: Janina Mackowski
Kostümschneiderei: Birgit Kirstein, Janina Mackowski
Hüte: Nicole Roberts, Julia Moritz (Hut-Fuß-Gestelle)
Bühnenentwurf und Realisation: Jürgen Steger
Kulissen, Entwürfe: Stefan von Borstel
Kulissenmalerei: Martin Wolff, Stefan von Borstel
Siebdruck: Birgit Lemmermann
Masken, Entwürfe: J.U. Lensing
Maskenbau: Josef Ermes, J.U.Lensing
Lichtgestaltung: J.S. Hardt
Einstudierung der Tänze: Jacqueline Fischer
Körper-Training: Jörg Balschun
Geschäftsleitung: J.S. Hardt
Öffentlichkeitsarbeit: Ernst Merheim, J.S. Hardt
Künstlerische und administrative Leitung: J.U. Lensing
Mitarbeit im KBB: Jörg Balschun
Mit Dank für viele nicht näher zu spezifizierende, aber dennoch unverzichtbare Arbeiten an allen Bereichen der Erstellung der Produktion an:
Claudia Auerbach, Jörg Balschun, Josef Ermes, Jacqueline Fischer, J.S. Hardt, Axel Heinrich, Jörg Lensing, Ernst Merheim, Kersten Müngersdorf, Thomas Neuhaus, Hanno Spelsberg, Jürgen Steger

Über die Produktion

1988 wandten wir uns nach dem Gründungsauftakt mit der „Mechanischen Bauhausbühne“, also unserer ersten Beschäftigung mit dem Theater der 1920er Jahre einer älteren, vorbürgerlichen Theaterform zu: Dem barocken Musik- und Tanztheater. Da im Barock in den romanischen Ländern die Commedia dell´Arte eine große Rolle im Straßentheater, aber eben auch im höfischen Theater spielte, nahmen wir das überlieferte Kompendium „Die neue und curieuse theatralische Tantz-Schul“ des italienischen Tanzmeisters Gregorio Lambranzi aus dem 18. Jahrhundert zur Vorlage daraus ein eigenes Stück zu entwickeln in dem Maskenspiel, barocke Tänze, Live-Musik und revuehafte Szenenfolgen einen „anderen“ Musik- und Tanztheateransatz ermöglichten. Lambranzis Werk behandelt die Vermischung der unterschiedlichen Theaterformen seiner Zeit, die hauptsächlich dadurch definiert sind, daß es eine Trennung von Musik, Tanz und Schauspiel noch nicht gab. Basierend auf der Musik und den Tänzen seiner Zeit, wie sie zum einen beim Volk, zum anderen bei Hofe gepflegt wurden, entwirft er in 100 Stichen einen szenischen Katalog, der sowohl die Stände-, Berufs- und Theatertypen seiner Zeit, als auch höfische Tänzer und skurrile Figuren in szenisch-tänzerischen Sequenzen festhält.

Von diesen Stichen und der damit verbundenen barocken Ästhetik inspiriert hat das Theater der Klänge die Tänzer- und Komödiantentruppe Lambranzis wieder auferstehen lassen, um in einer Zusammenstellung von höfisch-barocken Tänzen, Volkstänzen, Tanzparodien, Maskenspiel und der Theaterfigur Lambranzis (sowie seiner Frau) ein Sittengemälde des spätbarocken Tanz- und Musiktheaters zu zeichnen. Dieses Theater ist bestimmt durch eine halboffene Wanderbühnenkonstruktion, eine Lichtgebung mit Kerzenlicht, opulente Kostüme, Commedia dell’Arte Figuren, eine eigene Theater- und Tanzmusik und eine Inszenierung, in der die Körpersprache das gesprochene Wort weitgehend überflüssig macht.

Die barocke Maskenbühne, erstellt in kollektiver Zusammenarbeit der Ensemblemitglieder des Theaters der Klänge und in Autorenschaft von J.U. Lensing, ist dabei keine Rekonstruktion alten Theaters, sondern vielmehr eine Beschäftigung mit einer anderen, nicht literarischen und damit vorbürgerlichen Form von Theater. In der Neu-Komposition der Musik, Neu-Choreographie der Tänze und Neu-Inszenierung des gesamten Stoffes handelt es sich bei der „barocken“ Maskenbühne um ein zeitgenössisches Theaterstück, das sich durch die Masken des Barock bis heute als künstlerische Herausforderung und Prüfstein der Möglichkeit eines „anderen“ Theaters auf der Grundlage einer verschütteten Tradition erweist.

Aus diesem Grund hat die barocke Maskenbühne seit 1989 bisher 5 verschiedene Fassungen erlebt, die mit den Masken, Kostümen und szenischen Ideen von Gregorio Lambranzi immer so verfuhren, wie dies auch in der historischen Commedia dell’Arte der Fall war. Jedes für jede Neufassung neu gebildete Ensemble improvisierte mit den vorgefundenen Materialien, Figuren, Lazzi und Tänzen (und Stichen), so daß aus jeder Improvisationsphase eine neue Fassung auf der Grundlage des gleichen ästhetischen Rahmens erstellt werden konnte.
Die Arbeit mit den Masken der Commedia dell’Arte war von 1988 bis 1999 fester Bestandteil im Theater der Klänge und wurde zeitweise als Prüfungs- und Ausbildungsgrundlage für Ensembleneuzugänge eingesetzt. Die 5 verschiedenen Fassungen, sowie eine Straßentheaterfassung für das „Festival d´Avignon“ im Jahr 1993 erlebten insgesamt 55 Aufführungen an 7 verschiedenen Orten und wurden von ca. 10000 Zuschauern gesehen. Die Maskenarbeit mündete 1994/98 in die Erstellung einer zeitgenössischen Eigenkreation unter dem Titel „Reden ist Silber…“, sowie 1999 in der Figur des Harlekin/Hans-Wurst im Stück „Die Neuberin“.
Das Theater der Klänge verfügt durch diese mehr als zehnjährige Arbeit mit den unterschiedlichsten Maskentypen über eine entsprechend große Sammlung von mehreren hundert Masken, die die Gruppen Commedia dell´Arte, Expressivmasken, bis hin zu balinesischen Tanzmasken umfaßt.

Die barocke Maskenbühne in der Presse

Theater der Klänge zeigt in atemberaubender Perfektion sein „barockes Maskentheater“. Das Neue dieses Theaters hat mit den Trends des Zeitgeistes nichts im Sinn. Das, was auf der Bühne so fremdartig und bizarr wirkt, als komme es aus der Zukunft, sind in Wahrheit phantastische Ideen aus tiefster Vergangenheit. Vor ständig wechselnden kunstvoll bemalten Prospekten von italienischen Landschaften, in wunderschön gearbeiteten Kostümen weckt das Theater der Klänge Erinnerungen an alte Theatertugenden. Es ist ein Fest für die Sinne, es wird gespielt, getanzt, Quatsch gemacht und nach Herzenslust übertrieben geschauspielert, daß die Holzbühne wackelt.
Westdeutsche Zeitung

Das erweist sich als wahrer Augen- und Ohrenschmaus. Stilvoll bis ins Detail geht es auf der knallroten Wanderbühne zu, in einem bunten Feuerwerk von deftigen Späßen, stillen Pantomimen und lustigen Pannen, mit Harlekinaden, Narren, Venezianern, sowie weiteren komischen Figuren. Ohne eine zusammenhängende Geschichte wird man hier zwei Stunden lang nach bester Commedia dell’Arte Manier auf das vergnüglichste unterhalten. Lambranzis barocke Ideen erweisen sich als sehr lebensfrisch – dank einer Truppe überaus talentierter Theaterleute und einer üppigen Ausstattung, wie man sie in dieser Pracht bei einem freien Ensemble kaum erwartet hätte.
Rheinische Post

Was prächtige Vorstellungen, dichte Atmosphäre und große Erfolge verspricht – das ist beim preisgekrönten Ensemble vom „Theater der Klänge“ auch im neuen Stück ‚die barocke Maskenbühne‘ wieder geboten. So mag Theater gewesen sein – im Jahr 1716, als Gregorio Lambranzi „Die neue und curieuse, theatralische Tantz-Schul“ auf der Bretterbühne seiner Gaukler-Truppe darbot. Der Vorhang knallig rot. Ein Holzpodest, das ewig knarrt und daneben ein paar Musikanten, die in Maske und Umhang auch kleine Rollen übernehmen. Der Theatergruppe als Großfamilie war eine Trennung von Musik und Getanz, von Alberei und Grazie unbekannt. Bestechend wie diese Mischung hier wieder gelang. Grotesk, wie gespreizt das damals höfische Tanzgebaren wirkte. Bewundernswert die Detailtreue bei Masken und Kostümen, die spürbare Lust in Musik und Bewegung.
Neue Rhein Zeitung

Daß das nicht oder nur wenig museal wirkt, liegt nicht nur daran, daß ein unverschüttetes, ballastfreies Theater als ursprüngliches Phänomen aus Spiellust und Verwandlungstrieb wieder sichtbar wird, sondern auch an dem Ernst und der Frische, mit denen die meist jungen professionell ausgebildeten Künstler arbeiten. Ein Abrakadabra von Erhabenem, ironisch umzirkelt, Komischem und Groteskem oder, wenn man so will, eine Revue alter Spiel- und Tanzelemente. Es wäre nicht unverdient, daß dieses seriöse Versuchstheater an Breitenwirkung gewinnt.
Opernwelt

In einer Collage von 18 Szenen wurden die Komponenten Schauspiel, Musik und Tanz zusammengefügt: zu einer Aufführung im Stil jener Zeit, da umherwandernde Berufsschauspieler ihr Können auf Marktplätzen feilboten. Das bunte Spektakel kam in Heidelberg gut an: Lang anhaltender Applaus nach dem Finale, das die Komplexität des Theaters durch das Nebeneinander aller Darstellungsformen nochmals hervorhob.
Mannheimer Morgen

Das sich das Theater nicht im perfekten Dekor erschöpft, ist nicht zuletzt der Spielfreude der hochbegabten Truppe zu verdanken. Die acht Spieler und Tänzer schlüpfen im fliegenden Wechsel in alle Masken der Commedia dell‘ Arte. Bewundernswert ist, wie genau sie dabei das typisch italienische Temperament dieser alten Theaterform treffen. Durch die Szenen führen der Tanzmeister Lambranzi und seine Frau. In ihrem amüsanten Konkurrenzkampf verkörpern sie, was auch in den anderen Szenen ständig neu variiert wird: den Geschlechterkampf. Selten wird dieses immer wieder moderne Thema mit so leichter Hand präsentiert.
Rheinische Post (zur Heidelberger Fassung)